Grenzen überwinden – Schritt für Schritt dem Ziel näherkommen
Der Transalpin gilt als einer der härtesten und eindrucksvollsten Berglauf Events in Europa, aber um was handelt es sich eigentlich genau?
Der Transalpine Run (TAR) ist ein Berglauf- Etappenrennen über 8 Tage. Insgesamt läuft man 276 km und ca. 16.000 Höhenmeter, sowie etwa 14.000 „Tiefen“meter. In diesem Jahr führte die Route von Oberstdorf nach Sulden am Ortler, also von Deutschland über Österreich und die Schweiz bis nach Italien. Das Besondere an dem Veranstaltungsformat ist, dass man die gesamte Strecke mit einem Teampartner gemeinsam zurücklegt. 2019 gingen etwa 290 Zweierteams an den Start in Oberstdorf.
Was brachte dich ursprünglich auf die Idee am Transalpin teilzunehmen?
Laufen ist bei mir wirklich nicht nur Mittel zum Zweck (Sport zum Erhalt der Fitness) sondern etwas, das ich schon lange wirklich aus Freude und Leidenschaft tue. Die Versuchung und Lust, dieses über mehrere Tage zu machen und sich komplett dem Thema zu widmen, war schon immer groß. Natürlich auch der „Kick“ und Reiz, ob wir es bis ins Ziel nach Sulden schaffen. Außerdem gab es schon lange die Idee, einmal eine weite Strecke zu Fuß zurückzulegen, sozusagen ein Roadtrip extrem.
Wie hast du dich auf den Lauf vorbereitet?
Ich bin in den letzten 5 Jahren schon recht viel gelaufen und am Berg unterwegs gewesen, aber nie länger als 25 km. Uns war von vorneherein klar, dass wir dieses Rennen nur mit intensivem und hartem Training erfolgreich absolvieren können. Nach dem Winter habe ich also meine Wochenlaufleistung und Intensität immer weiter gesteigert - am Schluss auf ca. 80-100 km in der Woche. Dabei bin ich oft am Morgen vor der Arbeit schon unterwegs gewesen, Intervalle gelaufen, Bergsprints oder ähnliches und dann am Wochenende die langen Touren von 3-5 Stunden. Seitdem es den TAR als Ziel gab, war es auch plötzlich kein Problem mehr, morgens um 5:30 Uhr zu starten, oder nach einem langen Tag. Der innere Schweinehund war verschwunden und laufen unter „harten Bedingungen“ hatte auf einmal einen Sinn. Mit einem klaren Ziel vor Augen gehen viele Dinge einfach leichter.
Was waren deine Tiefpunkte und Highlights während des Rennens?
Mein persönlicher Tiefpunkt war gleich der erste Tag. Da ich (wahrscheinlich der Aufregung geschuldet) während der Etappe nicht essen konnte, war ich nach ca. 20 km komplett im Unterzucker. Nahrung wollte einfach nicht in den Magen und es waren noch etwa 18 km und gute 900 hm zu absolvieren. Ich war mir nicht sicher, ob ich das erste Etappenziel in Lech überhaupt erreichen kann, da mir immer wieder schwindlig wurde und ich kaum mehr bergauf laufen konnte. Meine Energiereserven waren fast vollständig aufgebraucht, doch: Aufgeben war wirklich keine Option für mich. Ich habe gedacht: Nicht jetzt, bevor es eigentlich richtig losgegangen ist, irgendwie musst du es bis ins Ziel schaffen. Ich wollte unbedingt nach Sulden laufen, denn dafür hatte ich den ganzen Sommer hart gearbeitet und mich unglaublich auf dieses Abenteuer gefreut. So habe ich es tatsächlich geschafft, „irgendwie“ in Lech anzukommen.
Bei den Highlights wird es schon etwas schwieriger, denn hier fallen mir wirklich viele Momente und Eindrücke ein. Sicherlich ein absolut emotionaler Moment waren die letzten 8km Kilometer vor dem Ziel. Ein letzter knackiger Anstieg und der anschließende, wunderschöne Trail ins Tal. Nach ein paar nassen Tagen war dies das erste trockene Downhill Stück und die verbleibenden Meter sind fast spielerisch vorbeigeflogen. Ich bin mit einem breiten Grinsen ins Ziel gekommen, denn das Laufen hat mir bis zum letzten Meter Spaß gemacht.
Was ist dir am meisten in Erinnerung geblieben?
Da gibt es kein bestimmtes Ereignis - es ist vielmehr die Vielfalt an Eindrücken, die mir bleiben wird. Wir hatten die unterschiedlichsten Bedingungen: Von stahlblauem Himmel und Sonnenschein bis hin zu Hagelschlag und Schneefall an der Sesvenna Hütte. Wir sind durch Almblumen gelaufen, über schroffes und karges Kalkgestein, vorbei an kristallklaren Bergseen auf 2000 m Höhe, durch Wälder mit rutschigen Singletrails, vorbei an Bergziegen und Schafherden, über steile Wiesen und durch endlose Wälder mit Heidelbeerbüschen. Es ist der Weg, die Reise und das stetige „Neue“, was den TAR für mich so eindrucksvoll und überwältigend gemacht hat macht.
Inwiefern hat dich diese Erfahrung verändert?
Es ist wirklich erstaunlich, wie wenig man doch denken kann in 8 Tagen. Nachdem wir die ersten 3 Etappen hinter uns gebracht hatten und der Tagesablauf langsam zur „Routine“ wurde, hat man die ganzen organisatorischen Faktoren einfach ausgeblendet. Ich glaube, ich war selten so viel im „Hier und Jetzt“. Es ging vom Moment des Startschusses einfach nur ums Laufen, bis man die Ziellinie überquert hat. Die verbleibende Kilometeranzahl war mir egal, ich bin einfach nur gelaufen. Wichtig war in dem Moment nur eins: Die Wurzel, der Stein, der nächste Anstieg und die Umgebung bis maximal 400 m vor mir.
Trotz der doch körperlichen Anstrengung habe ich mich selten so erholt gefühlt, wie in diesen 8 Tagen. Das Leben kann manchmal sehr einfach sein.
Was hat dich am meisten überrascht?
Ich hatte erwartet, dass das Laufen mit der Zeit wahrscheinlich eine Quälerei wird, jedoch ist es mir von Tag zu Tag immer leichter gefallen. Das unser „Trainingsplan“ so gut aufgeht und das Laufen bis zum letzten Meter so viel Spaß macht, hatte ich gehofft, aber nicht erwartet.
Würdest du so einen Lauf nochmals machen?
Definitiv. Der Reiz für mich ist allerdings nicht der Wettkampf, sondern die lange Distanz, von daher könnten auch ganz andere Formate dabei herauskommen. Sicherlich werde ich das ganze aber nicht alleine angehen, sondern immer mit Teampartner.
Was ist das Besondere daran, als Team zu laufen?
Wir sind gut befreundet und vorher schon viel gemeinsam gelaufen. Daher kannten wir die Stärken und Schwächen des Anderen sehr gut, sowohl läuferisch als auch persönlich. Das hat die ganze Sache natürlich leichter für uns gemacht und wir hatten viel Spaß zusammen. Es ist ein gutes Gefühl, sich auf jemanden verlassen zu können, gerade über die Distanz. Wenn es bei einem einmal nicht so gut lief, war man nicht „alleine“ unterwegs. Das hat mir persönlich sehr viel Sicherheit und Selbstvertrauen gegeben.
Im Nachhinein sind es sicher die Eindrücke und Bilder, die uns noch lange gemeinsamen an den TAR denken lassen. Hier teilen wir nun manche Geschichte, die uns miteinander verbindet.
Ohne einen starken Teampartner ist so ein Lauf für mich nicht vorstellbar, denn zusammen ist vieles leichter.